Wie lange hält ein Segel

[steelstyle]

"Letztlich sind es die selbst gesteckten Ziele, die wir erreichen wollen."

Lieber Jürgen,
Du sagst es! Schöne Reise übrigens.

Zudem sagt uns die neuere Psychologie, dass wir uns idR genau soviel stressen, wie uns gut tut (Ausnahme Leidenschaft wie Autofahren oder eben Segeln). Wenn wir noch einrechnen, dass wir mit unseren eigenen Entscheidungen viel unkritischer zufrieden sind als mit denjenigen (seien es auch dieselben) unserer Nachbarn, kann beim Segelkauf nur noch wenig schief gehen.

Wir "Experten" neigen dazu, uns gut zu fühlen, wenn wir einen Hauch schneller sind als der andere. Dass die Bö vielleicht bei uns voller traf als 50 Meter südlich, der andere sich schon vier Jahre widerliche Antifowling-Jobs erspart hat usw., all das blenden wir aus. Wehe, die neuen Segel bringen nicht die Welt!

Will keinesfalls unser Forum verunzieren, hier kann man viel Nützliches lesen. Frei nach Jürgen plädiere ich aber dafür, "small is beautiful" ernst zu nehmen. Ein Tag ohne Kopfschmerzen ist wertvoller als der halbe Knoten, auch wenn ich den gern mitnähme. Mittelwege sind oft die besten. Will ich aber partout schnell segeln, darf ich bei Faltprop und Tuch auf keinen Fall sparen, sollte Knicke im Tuch meiden, auf Trinkwasser (Bier sowieso), Logge (Reibung), WC oder gar Ankergeschirr unbedingt verzichten. Zunächst würde ich den EBDiesel rausschmeißen, ein Minnkota tuts für die letzten Meter. Mal schaun, ob ich jemals wieder wirklich schnell sein will.

[Stephan-HB]

Wer bin ich denn, dass ich jemanden vorschreiben will wie er zu leben oder zu segeln hat? Jedem seinen Weg! Das mag sich zwar manchmal etwas anders lesen, ist aber immer in diesem Kontext gemeint. Wie und womit jemand Glücklich ist, bestimmt er nur selbst und niemand anders. Ist zwar schade, dass ich mir zzt. keine neuen Segel leisten kann, aber ich habe das Glück ein Boot zu haben. Damit wäre schonmal ein Motorbootfahrer unglücklich. Viele Segler wären auch unzufrieden, weil sie eben nicht läuft wie eine Gazelle. Andere könnten nicht damit um, dass sie keine Stehhöhe hat. Bei mir war es damals Liebe auf den ersten Blick und meine Leidenschaft hat "sie" mir mit vielen unvergesslichen Stunden auf dem Wasser gedankt. Das alles ohne neue Segel. Irgendwann bekommt sie neue Segel und dann werden wir beiden ollen mit ein paar anderen Kleinenigkeiten nochmal zeigen, was in uns steckt. Nur für uns.
Dann werden wir, wie jetzt auch schon den Sonnenuntergang genießen und wenn es dunkel wird, die Petroliumlampe anzünden und ein unvergleichliches Flair auf uns wirken lassen.

[Vierzigplus]

Zitat von steelstyle

...Wir "Experten" neigen dazu, uns gut zu fühlen, wenn wir einen Hauch schneller sind als der andere. Dass die Bö vielleicht bei uns voller traf als 50 Meter südlich, der andere sich schon vier Jahre widerliche Antifowling-Jobs erspart hat usw., all das blenden wir aus. Wehe, die neuen Segel bringen nicht die Welt! ...

Schon interessant, wie viele Argumente gegen neue Segel gefunden werden.

Anekdote: Vor rund 25 Jahren war ich auf einer Ranglistenregatta, international besetzt mit 65 Startern. In der Saison lief es meistens durchwachsen, jetzt hatte ich das neue Segel drauf. Erster Lauf, kurze spitze Wellen gegenan, Startkreuz: da wackelte aber das Achterliek - und schob mich Meter um Meter am Gegner vorbei Alles ging besser, leichter, schneller, auch bei den Halsen war weniger Druck - Ergebnis: Platz 9 im 1ten Lauf (noch ein 7., 11., 16. und ein Streicher, mein Kumpel kam immer nach der 2ten oder 3ten Flasche Bier ins Ziel)!

[Giligan]

Soll auch Segler geben, die auf dem Wasser keine Gegner haben, .....denen es auch völlig Latte ist, wer wann wie schnell segelt.
Wenn sie es eilig haben, nehmen sie den ICE oder das Flugzeug....

Gruß
Willy

[Vierzigplus]

Zitat von Giligan

Soll auch Segler geben, die auf dem Wasser keine Gegner haben, .....denen es auch völlig Latte ist, wer wann wie schnell segelt.
...

Das nennt man Individualität!

Mir macht es halt mehr Spaß bei 9 Knoten, als bei idealen Segel-Bedingungen mit "nur" 5 Knoten.
Gleichzeitig erlaubt mehr Speed auch mehr Reichweite am Wochenende.

[Benaco]

Zitat von Giligan

Soll auch Segler geben, die auf dem Wasser keine Gegner haben, .....denen es auch völlig Latte ist, wer wann wie schnell segelt.
Wenn sie es eilig haben, nehmen sie den ICE oder das Flugzeug....

Gruß
Willy

Gut daß wir alle unter unterschiedlich sind, wäre sonst ja auch sehr langweilig.

Gegner habe ich nicht mehr auf dem Wasser, Regattazeiten sind schon lange vorbei und alle zwei Jahre neue Segel kaufen, ist auch nicht mehr.

Aber mal die weltgrößte Katamaranregatta mitzusegeln habe ich seinerzeit sehr genossen.

Selbst heute, als alter Sack, nerve ich meine Crew auf unseren Charterkatamaranen, wenn ich versuche durch optimalen Trimm noch einen halben Knoten mehr 'raus zu holen.

Und ein wirkliches Highlight war es kürzlich, einem Bekannten zeigen zu können, wie man seinen Multihull auf über 20 Kt. beschleunigt, so schnell ist der noch nie auf seinem eigenen Boot unterwegs gewesen.....

Also, neue Segel haben ihre Berechtigung.

[Giligan]

Mehr Reichweite brauche ich nicht, dazu liegen meine Ziele zu eng beieinander. Wenn ich wandere, tu ich das auch nicht nach Zeit und möchte schnell viele Kilometer schaffen, so fahre ich auch Motorrad, der Weg ist das Ziel.

Was soll ich ständig durch die Gegend rasen, darin sehe ich wenig Sinn wenn ich mich entspannen möchte. Außerdem schafft meine Wanne auch keine 9 Knoten, wenn ich mir einen 50PS ans Heck hänge.

Der Eine fährt ein Rennboot, der Andere lieber ein gemütliches Reiseboot, jeder darf natürlich so tun, wie er mag.

Gruß
Willy

[Pusteblume]

Na ja, gut funktionierende Segel sind j nicht nur was für Rennsegler, sondern auch für Wasserreisende. Mit gut stehenden segeln fährt man ein paar Wenden weniger, und die ganze Chose u.U. aufrechter. Es müssen nicht zwingend neue sein - bei gutem Dacron kann man durch sorgfältigem Umgang, gelegentliches Nachnähen u.Ä. die Lebensdauer strecken.
Aßerdem kommts darauf an, was man mit dem Segel anstellt. Nach 10 Jahren Langfahrt sieht ein Segel anders aus, als nach 10 Jahren gelegentlichem Wochenendsegeln bei 3 bft.
Ich habe auf meinem Dampfer 2 Großsegel (ö 1 Schwedengroß), ein Niegelnagelneues von 2013, und eines, von dem mein Segelmacher schwört, er hätte es noch vor der WEnde gemacht. Das ist weich ausgenuddelt, aber steht noch gut, und schafft das Boot auch noch gut vorwärts. Im Winter neu geliekt, und ein paar Nähte erneuert...

Der merkbare Unterschied sind aber neue Vorsegel, insbesondere auf Kreuzkursen.

Was ich nicht verstehe, ist, daß es die Meinung gibt, beim Fahrtensegeln müsse man sich nicht die Mühe machen, das Boot gut zu segeln. Auch ohne Gegner finde ich es schön, wenn das Boot nicht nur irgendwie, sonder gut fährt. Also leicht, mit guter Geschwindigkeit, und nicht allzu schief (wobei ein gelegentliches Scheuerleiste-durchs-Wasser-ziehen in einem Drücker auch Spaß macht...). Ein Boot mit falschem Segeltrimm zu fahren ist für mich wie mit einem SL im falschen Drehzahlbereich.
Btw: wenn die Segel länger halten sollen, macht Segelpersennings drauf oder nehmt die (Vor)Segel ganz runter. Und beim Fockstrumpf aufpassen, daß er lose hoch und runter rutscht, und nicht, da die Spannleine zu fest, die Nähte aufrubbelt.

[Vierzigplus]

Seit die Reifen auf meinem Auto komplett abgefahren sind und die Stoßdämpfer nicht mehr funzen, fahre ich halt langsamer. Das entschleunigt total, meine Ziele liegen eh vor der Haustüre - ich bin nur zu faul zum Radfahren.

Bei einer kleinen Schaluppe ist es sicherlich egal, ob die Segel ausgelutscht sind oder einfach so bei mehr Wind um die Ohren fliegen.
Auf meiner Jolle wechselte mein Groß zwischen Einsatz als Sonnensegel im Garten und (Club-) Regattabahn (ich kaufe doch kein Neues, wenn ich damit noch gewinnen kann).

Bei voller Besegelung habe ich heute knappe 70 m² am Mast stehen, da ist es absolut sicherheitsrelevant, dass die im optimalen Zustand sind. Und wenn ich mir das schon nicht leisten kann, suche ich mir ein anderen Hobby.

[Giligan]

Oh,

das wusste ich nicht, entschuldige das ich hier unten, mit meiner kleinen alten 25er anders denke. Aber wenn ich mir dafür keine neuen Segel leisten könnte, würde ich mir auch ein anderes Hobby suchen, soweit gehen wir, auf völlig unterschiedlichen Ebenen, konform.

@ Pusteblume
fährst du dein Auto auch so? Immer am Limit, darauf achtend, jede Kurve optimal zu nehmen, jede Möglichkeit der hohen Geschwindigkeit nutzend? Wahrscheinlich nicht, so bin ich halt auch auf dem Wasser, immer mit der Ruhe, das Leben ist zu kurz für große Eile.

Willy

[Vierzigplus]

Zitat von Giligan

Oh,

das wusste ich nicht, entschuldige das ich hier unten, mit meiner kleinen alten 25er anders denke. Aber wenn ich mir dafür keine neuen Segel leisten könnte, würde ich mir auch ein anderes Hobby suchen, soweit gehen wir, auf völlig unterschiedlichen Ebenen, konform....

Es muß sich niemand bei mir entschuldigen! Ich habe nichts gegen Dacron-Segel und nichts dagegen, wenn Segel älter werden.
Man sollte sich nur nicht damit brüsten, dass man mit abgerockten, morschen Segeln durch die Gegend fahre. Ich persönlich würde nicht warten, bis die Segel in Fetzen sind, sondern vorher geeignete Segel anschaffen.

Da fällt mir gleich eine wahre Begebenheit ein; da kauft sich ein Bekannter (auch hier im ) eine Yacht. Die wird direkt vom Land ins Wasser gesetzt, schließlich muß sie noch über die Nordsee (zusammen mit einem erfahrenen Ex--Mitglied ).
Auf hoher See und bei kräftigem Wind gingen die Segel schnell in Fetzen! Motor an und - Pech gehabt, der fiel auch aus.
Der Seenotretter hat die Yacht geborgen, die "Jungs" hatten es überstanden. Gerüchte besagen, dass der Eigner sich schon in die Koje verkrochen hatte und auf sein Ende wartete.
(Bitte keine Nachfragen, ich gebe keine Details preis)

[Giligan]

Ich sehe es halt nicht so extrem, ein etwas verschlissenes Segel ist wie ein alter Motor, der noch leidlich läuft aber nicht mehr seine frühere, jugendliche Leistung bringt.

Ein zerfetztes Segel ist kaputt, wie ein kaputter Motor aus dem, nur um ein bildliches Beispiel zu nennen, stumpf und traurig, ein Pleuel ragt.
Einem Segel, welches droht, in Fetzen zu gehen, zeigt es dem Besitzer sicher rechtzeitig an, so wie ein Motor der klappert und raucht, hier ist natürlich, das sehe selbst ich ein, Handlungsbedarf gegeben.

Mein Hobbyauto, 33 Jahre alt, ist sicher auch nicht mehr so schnell wie einst, doch deshalb gleich einen neuen Motor einbauen?

Gruß
Willy

[Pusteblume]

Zitat von Giligan

...
@ Pusteblume
fährst du dein Auto auch so? Immer am Limit, darauf achtend, jede Kurve optimal zu nehmen, jede Möglichkeit der hohen Geschwindigkeit nutzend? Wahrscheinlich nicht, so bin ich halt auch auf dem Wasser, immer mit der Ruhe, das Leben ist zu kurz für große Eile.

Willy

Hm, wie ich Auto fahre? Möglichst vorausschauend, möglichst entspannt, und trotzdemn halbwegs zügig. Am liebsten bei gleichbleibender Geschwindigkeit, Gern mit Tempomat so bei 130.
Beim Segeln, also, wie soll ich sagen... da komm es auf die Freude am Fahren an. Mir jedenfalls. Ich fahre meinen kenterbaren Stahldampfer bestimmt nicht am Limit. Limit, daß hieße 50 qm Spi, auch bei 4-5 bft, mit 3 x 90 kg-Männern an Bord. Ich habe mir eine kleine 8-qm-Fock schneidern lassen, die sich in Familie auch bei mittlerem Wind bewährt. Und wenn 6er Böen über das Wasser pfeifen, fahre ich gemütlich eingerefft. Aber ich versuche, das Boot dabei trotzdem zügig zu fahren. Es will auch schnell fahren. Ich habe es genossen, bei viel Weiß auf dem Wasser und Halbwind gemütlich mit so 6,5 kn eingerefft über den Kölpinsee zu schippern. Und es macht mir Spaß, bei 1-2 bft und der Genua einfach nr gänzlich lautlos über das Wasser dahinzugleiten. Die Freude daran, wie das Boot am Ruder liegt, wie es reagiert...SEgeln, um des Segelns willen, nicht um anzukommen...

[Giligan]

Hi,
es macht also auch Spaß, ohne an die Grenzen des Möglichen zu gehen, mehr wollte ich doch gar nicht zum Ausdruck bringen. Alles eine persönliche Sache....

Gruß
Willy