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Kein Boot Hier kann man allgemeinen Small Talk halten. Es muß ja nicht immer um Boote gehen.

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  #1  
Alt 16.11.2004, 19:35
Segelwilly
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Super Schlucker

Hi,
hatte in Berlin davon erzählt, weiß aber nicht mehr, wem ich es erzählt habe... ...werde älter.... ....wie auch immer, hier ist die Story. ich finde sie sehr lesenswert....

Super-Schlucker oder: Wenn Benzin in die falsche Röhre gerät... von Sigi Heiland

Ich hatte in meiner Jugendzeit mal einen motorsportlich angehauchten Freund und Kollegen namens Herbert. Dessen ganzer Stolz war damals ein "Ford Escort RS 2000" (genannt "Hundeknochen" wegen dem markant geformten Kühlergrill). Das Teil war stilecht mit einem Tripmaster und zwei analogen Stoppuhren ausgestattet. Zusammen hatten wir schon ein paar Vorstadt-Rallyes, Autoslalom-Veranstaltungen und ein Sportfahrertraining bestritten. Wir waren damals - wie gesagt - noch recht junge Spunde und der Sprit war - gemessen am Einkommen - trotz der Null vor dem Komma recht teuer.

Was Ihr noch wissen müsst: Jeder, der Herbert besser kannte, wusste, dass er jegliche Art von Milchprodukte hasste wie die Pest, es sei denn, er beschäftigte sich mit deren natürlichen Vorkommen, denn er war jung verheiratet.

Eines frühen Tages brachen wir mal wieder voller Tatendrang auf zu irgendeiner lokalen "Chinesen"-Rallye im Niederbayerischen; aber der stets gut geforderte 2Liter-Motor hatte vor lauter Durst seinen Tank fast leergetrunken. Gleich am Ortsausgang bogen wir deshalb in eine kleine Tankstelle ein. Dort konnten wir jedoch nicht gleich zur Zapfsäule vorfahren, weil ein Renault uns den Weg versperrte, um den ein paar ratlos dreinblickende Männer herumstanden. Unter dem Wagen hatte sich eine kleine Pfütze gebildet.

Wir fragten, was los sei und warum der Wagen im Weg stünde. Darauf teilte der Besitzer mit, er habe getankt und dabei festgestellt, dass der Tank irgendwo leck geworden sei und dass er nun ein Problem habe, zumal er am nächsten Tag in den Urlaub fliegen wolle.

Man einigte sich darauf, dass der Tank irgendwie leergepumpt werden müsse. Aber wohin mit dem kostbaren Saft? Der Eigner des Renault meinte, er würde den Tankinhalt gerne demjenigen schenken, der ihn zutage fördert. Ohne lange zu fackeln rief mein Freund spontan: "Das kriegen wir schon ..." und meinte es im doppelten Sinne! Wie erwähnt - wir hatten es nicht so dicke! Er fragte den Tankstellenpächter, ob er nicht irgendwo ein geeignetes Schläuchlein finden könne, um das Benzin abzufüllen. Nach kurzer fieberhafter Suche fand sich in der angeschlossenen kleinen Werkstatt (sowas gab es damals noch!), ein knapper Meter Schlauch, der früher mal transparent gewesen sein musste. Jetzt war er ziemlich dreckig und wir stellten wüste Spekulationen an, was da wohl schon alles an leckeren Säftchen durchgeronnen sein mochte. Egal! Der Zweck heiligte die Mittel und Herbert blies das Ding zum Test kurz durch (ein echter Sportfahrer bläst alles durch, wenn es ihn voranbringt) und fädelte das eine Ende tief in den Tank des edlen Spenders ein. Ich hatte währenddessen bereits den Inhalt des Reservekanisters in das leere Reservoir des Sport-Escort gekippt und ihn als Auffangbehälter für die erste Rate Superbenzin (verbleit!) bereitgestellt.

So, wie kriegen wir die Pampe nun dazu, durch den Schlauch zunächst nach oben zu steigen, um dann brav in den Kanister zu plätschern? Herbert meinte (obwohl er nie beim "MediaMarkt" gearbeitet hatte) "Ich bin doch nicht blöd ..." und fügte hinzu "Was mein Motor kann, kann ich auch! Ich spiel jetzt den 'Vergaser' und saug mal kurz an und wenn der Sprit kommt, verschließe ich den Schlauch kurz mit der Zunge, klemme ihn mit den Fingern ab und rein in den Kanister"...

"Wäääh!" ekelte ich mich und raunte "Graust's Dir denn vor gar nix ...?"

Er meinte lässig "Ach Quatsch! Das ist überhaupt kein Problem. Sowas mach ich mit links ...!"

Mit großer Spannung verfolgten nun alle, wie er mit Todesverachtung das delikat verschmutzte freie Schlauchende in den Mund nahm und zuerst leicht, dann

- weil zunächst erfolglos - etwas kräftiger daran saugte. Das Benzin musste es sich - nach anfänglichem Zögern schlagartig überlegt haben, nun doch das Behältnis zu wechseln; schließlich ist es ja eine grosse Ehre, von einem schnöden Renault in einen RS2000-Tank fließen zu dürfen.

Jedenfalls war Herberts Zunge viiiel zu langsam und der Befehl seiner Geschmacksnerven an das Gehirn viiiel zu träge, um den Fingern das Signal "Jetzt zudrücken!" noch rechtzeitig zu übermitteln. Außerdem kitzelte der muntere 98ROZ-Strahl sein Zäpfchen derartig verlockend, dass er unverzüglich einen Schluckreflex auslöste.

Heftig hustend und prustend warf Herbert mit vor Schreck geweiteten Augen das Schläuchlein von sich und krümmte sich. Kein Zweifel: Er hatte heute seinen ersten kräftigen Schluck Superbenzin getrunken und es war offensichtlich ein wesentlich umwerfenderes Gefühl, als seinerzeit beim ersten (heimlichen) Schluck Likör!

Nach vorne gebeugt, steckte er sich den Finger in den Mund und versuchte, den unfreiwilligen Trunk würgend wieder von sich zu geben, während wir ihm ermunternd und unterstützend auf den Rücken klopften. Doch er spielte die Rolle des "Vergasers" einfach zu gut. Keinen Tropfen, den er angesaugt hatte, gab er wieder her. Es half alles nichts! Irgendwann hörte er dann auf zu prusten und zu keuchen und stand verzweifelt da, mit Augen, die irgendwie versuchten, in den eigenen Körper zu blicken, um zu erfassen, welches Teufelszeug sich da nun mit seinen Magensäften um die dortige Vorherrschaft in Verdauungsfragen bemühte.

Sofort entbrannte unter den Umstehenden eine lebhafte Diskussion, wie gefährlich der Konsum von Benzin denn nun eigentlich sei und ob es nicht etwa sogar günstiger gewesen wäre, Diesel zu sich zu nehmen. Ob es wohl ein Loch in den Magen frisst? Fraglich, ob man das überhaupt noch erlebt, denn schliesslich ist ja ordentlich Blei drinnen und dessen Wirkung ist schon phänomenal, wenn man es nicht pur trinkt.

Einhelliges Fazit: Das Zeug muss irgendwie raus! Der Vorschlag, den Notarzt zu verständigen, um sich den Magen auspumpen zu lassen, stiess bei ihm auf wenig Gegenliebe. Vielmehr zog es ihn instinktiv nach Hause zu seiner ihm so frisch angetrauten und überaus ansehnlichen Evi, die er zumindest noch einmal zu sehen wünschte.

Nun - einem Sterbenden verwehrt man nicht seinen vermutlich letzten Wunsch und so chauffierte ich ihn in einer dem Sport-Escort absolut angemessenen Fahrweise zurück zur Wohnung.

Während der Fahrt kam Herbert dann der rettende Gedanke: Milch!!! Er musste Milch trinken - soviel er nur konnte! Schon der Gedanke daran war (leider nur beinahe) zum Kotzen. Es würde sicher funktionieren! Mit quietschenden Reifen stoppte ich vor dem Hochhaus in dem er wohnte, scherte mich einen Teufel um das dortige Halteverbot und begleitete meinen siechen Freund zum Eingang.

Vor lauter Aufregung fand er seinen Hausschlüssel nicht und drückte wie wild auf den Klingelknopf. Nachdem Evis zartes Stimmchen fragend ertönte, fauchte er in die Sprechanlage: "Evi mach die Tür auf und schenk mir sofort ein grosses Glas Milch ein, hörst Du? Milch!! Sofort!!!" Begleitet von einem verständnislosen "Spinnst Du???" schnarrte der Türöffner. Während der endlosen Aufzugsfahrt in den sechsten Stock, die uns vorkam, wie eine Auffahrt zur Aussichtsebene des World Trade Center (gab's damals auch noch), wusste ich dem Geängstigten nichts besseres zu sagen, als "Komm, das wird wieder ...! Wirst schon sehen!". Geniale Lift-Konversation eben! Das machte doch richtig Mut!

Evi stand in der Wohnungstür - verblüfft, dass wir so rasch zurückgekehrt waren. Und natürlich hatte sie KEINE Milch aufgemacht, denn sie wusste ja, dass Herbert die weisse Substanz mied, wie der Teufel das Weihwasser.

"Haben wir Milch da?" rief er fordernd. Und Evi "Ich weiß nicht. Wozu willst Du denn Milch??? Sigi, willst DU Milch? Wir haben auch was anderes da ..."

Herbert außer sich: "Nein! Nicht der Sigi! ICH brauch die Milch! ICH!!!"

Er rannte zum Kühlschrank und fand prompt einen Tetrapack dieses geliebten, verhassten Getränks. Während Evi kleinlaut und verstört im Hintergrund piepste "Ich weiß gar nicht, ob die noch gut ist ..." hatte er die Packung bereits aufgerissen und das Lebenselixier rann als dicker Strahl in Vollfettstufe seine Kehle hinunter ("Gulp, gulp, gulp ..."). Das Verfallsdatum interessierte ihn nicht die Bohne. Im Gegenteil - eine Überalterung des Produkts wäre dem verfolgten Zweck vermutlich noch dienlicher gewesen ...

Evi verstand die Welt nicht mehr! Nicht für einen Tausender hätte ihr Herbert bislang freiwillig ein Glas Milch getrunken. Man konnte nicht mal am gleichen Tisch Käse essen, so ekelte er sich vor Milcherzeugnissen.

Während er sich - mit der Milchtüte in der Hand - nun in Richtung Toilette begab, versuchte ich, der braven Evi - so gut ich in der Aufregung konnte - die prekäre Situation begreiflich zu machen.

Spätestens als aus dem Bad ein herzzerreißendes Husten, Keuchen und Prusten quoll, begleitet vom wiederholten Rauschen der Spülung, begann sie allmählich zu verstehen. Es ging noch eine Weile so dahin, während wir mitfühlend (und beinahe mitreihernd) gebannt der geräuschvollen Tragödie in der Toilette lauschten. Irgendwann wurde es dann ruhiger und die Spülung ging noch ein letztes Mal.

Ein bleiches Kerlchen trat aus dem Bad mit einem Gesichtsausdruck, als wäre er Gevatter Tod soeben von der Schippe gesprungen. Völlig erschöpft sank er auf die Wohnzimmercouch nieder und Evi versuchte, ihn zu trösten. Während sie ihn mitleidig streichelte, stammelte Herbert schwer atmend: "Also eines ist sicher: In meinem Bauch ist nun weder ein Tropfen Benzin, noch ein Tropfen Milch!".

Just als er daraufhin - im wahrsten Sinne des Wortes 'erleichtert' - zu der Zigarettenschachtel auf dem Wohnzimmertisch greifen wollte, ereilte ihn ein heftiger Schluckauf und Evi wandte sich angewidert ab, mit dem Kommentar "Äääh, du stinkst ja wie ein ganzer Tanklastzug ...!!"

Sie entriss ihm flugs die Schachtel und rief "Du kannst doch jetzt nicht rauchen. Da brennt uns ja die ganze Bude ab ...!"

So blieb meinem Freund Herbert eine steile Karriere als Flammenwerfer versagt. Die beiden verbrachten die folgende Nacht dem Vernehmen nach strikt getrennt. Er schlief im Wohnzimmer, das morgens irgendwie nach Tankstelle roch ...

Soviel ich weiß, hat er nie mehr im Leben Milch oder Benzin getrunken. Obwohl es ihm überhaupt nicht geschadet hat.

Herbert lebt heute in der Nähe von Regensburg und ich habe ihn ganz aus den Augen verloren. Schade! Ich sollte ihn mal ausfindig machen und ihn auf einen hochprozentigen Schluck einladen...
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  #2  
Alt 16.11.2004, 19:43
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Willy,
super toll geschrieben!

Das muß archiviert werden!
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Mit sportlichen Grüßen

ᴒɦᴚᴝϩ


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  #3  
Alt 16.11.2004, 20:53
Segelwilly
Gast
 
Beiträge: n/a
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das hat der Sigi heiland, ein Klubfreund geschrieben...

Ich reiche das Lob weiter!

Willy
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