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Törnberichte Wie der Name schon sagt. Keine Antwortmöglichkeit!

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Alt 24.09.2010, 10:18
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Standard Segeln - Von Greetsiel nach Bremerhaven und zurück



Eigentlich wollten wir in diesem Jahr mal wieder nach Holland rüber und die niederländischen Inseln abklappern. Die Karten waren besorgt, die Routen und Ziele waren geplant - aber etwas lief dann quer: Wir konnten erst im August unseren Urlaub nehmen. Als wir schließlich aufbrechen wollten kamen uns bereits Freunde und Bekannte entgegen, die von überlaufenen und teilweise schon geschlossenen Inselhäfen berichteten. Als wäre dies nicht genug hatten wir zunächst ein paar Tage schlechtes Wetter und danach pendelte sich der Wind in einer Westlage ein. Wir nahmen dies als Fingerzeig und änderten kurzfristig unsere Urlaubspläne. Unser neues Ziel lautete nun Bremerhaven.

Unsere erste Etappe war mit 25 Meilen eine recht kurze. Wir segelten bei einem flotten 5er aus West von Greetsiel übers Watt nach Norderney. Wir gingen zunächst traditionell über das Norddeicher Wattfahrwasser. Am Ende auf Höhe der Ansteuerungstonne verließen wir das Fahrwasser und setzten Kurs auf das Einzelgefahrenzeichen am Rande der Steinplatte. Von dort ging es mit Kurs 10° quer über die Steinplatte direkt auf den Norderneyer Hafen zu. Diese Schnippelei sparte uns nicht nur zweieinhalb Meilen, sondern lag vom Wind her auch deutlich besser an. Auf der Steinplatte legte der Wind noch etwas zu und ging jetzt in Böen bis auf 6 rauf. Gleichzeitig drehte er auf Nordwest.

Auf Norderney machten wir auf unserem Stammplatz fest und testen sogleich die neue Fischbude direkt am Hafen. Auf dem Weg dorthin trafen wir auch prompt Jürgen und Andrea auf einen kleinen Plausch. Sie hatten mit der Wado einen Platz direkt unterhalb der Fischbude am Langsteg. Die Fischbude selber - nun ja, was soll ich sagen - bietet Convenience zu (für Neyer Verhältnisse) zivilen Preisen. Ein Gutteil der Kundschaft machte den angestrengten Versuch, sich einen leichten Sylter Anstrich zu geben (oder einen schweren Sauerländer Ney-Schimmer). Das grenzte schon an Fremd-Schämen und war nur durch einen Liter Bier pro Kopf zu ertragen. Obschon dem ganzen eine gewisse Skurrilität nicht abzusprechen war.

Am nächsten Morgen sollte es früh um acht weitergehen, daher hielten wir uns dort nicht sehr lange auf. Wir wollten mit ablaufend Wasser durch das Dovetief nach draußen und dann sehen, wie weit wir nach Westen kommen würden. Als wir um acht ablegten hatte der Wind auf WSW gedreht und auf 3-4 abgenommen. Eigentlich ideal, aber als wir um die Westhuk von Ney kamen sahen wir selbst im Dovetief nur weiß. Die 5-6 vom Vortag gehörten wohl zu einem Sturm weiter nördlich, der uns reichlich Restdünnung ins Gatt schmiss. Wir überlegten kurz und beschlossen wieder reinzugehen und mit dem Abendhochwasser übers Watt Richtung Westen zu gehen. Also ging es zum Frühstück zurück zum Liegeplatz auf Ney.

Um 13 Uhr - nahe Niedrigwasser - liefen wir raus und gingen im Norderneyer Wattfahrwasser Richtung Westen. Wir waren eigentlich viel zu früh dran, aber da der Wind auf zwei aus W abgeflaut hatte, legten wir jetzt schon ab. Unter Groß mit Bullenstander und ausgebaumter Leichtwindgenua zogen wir an Stehbrettpaddlern (muss ein neuer Trend sein), Kanuten, Seehunden, Wattwanderern und der neuen Seekabelbaustelle vorbei. Bei der 38 haben wir einmal kurz nicht aufgepasst und saßen auch prompt in einer Bank. Die verlief dummerweise U-förmig und wir waren im unteren Ende gefangen. Also erst mal Segel runter, Anker raus und Tee aufgesetzt. Nach einer Stunde Gedöse in der Sonne ging es weiter. Später, unterhalb von Baltrum, wiederholten wir das ganze Manöver dann noch einmal. Am frühen Abend machten wir schließlich auf Langeoog fest. Eigentlich steht dieses triste Betonbecken aus dem zweiten Weltkrieg fernab der Inselörtlichkeiten eher selten auf unseren Törnplänen, aber für einen Gang durchs Gatt ist Langeoog ganz gut geeignet. Die Accumer Ee ist breit und im Vergleich zu anderen Gatten relativ unkritisch.

Wir waren entsprechend auf die Langeooger Situation vorbereitet und zauberten - nach dem erfolglosen Versuch der Meldung beim Hafenmeister - aus unserer Kombüse Bratkartoffeln, Spiegelei und rote Beete hervor. Die Kartoffeln hatten wir in den Ankerpausen schon vorbereitet und folglich war das Essen ruck zuck serviert. Die Meldung beim netten Hafenmeister konnten wir dann am nächsten Tag nachholen und bekamen gleichzeitig Toilettenschlüssel (gegen Pfand) und frische Brötchen. Nach der Morgentoilette und der Schlüsselrückgabe legten wir auch gleich wieder ab - Frühstück sollte es unterwegs geben. Der Wind kam inzwischen aus SE mit 3 und wir wollten mit ablaufend Wasser durch das Gatt nach draußen. Das Gatt war erwartungsgemäß völlig ruhig.

Unter Groß und Genua zogen wir nördlich der Inseln auf der 10 Meter Linie dahin. Der Wind ging auf 2-3 zurück und so brauchten wir gut drei Stunden vom Langeooger Hafen bis Spiekeroog querab. Herta lag mittlerweile lesend auf dem Vordeck (wir haben keinen Deckfeger am Vorstag) und ich döste an der Pinne vor mich hin. Hinter mir hörte ich plötzlich ein “ssschhhhfffffffff”, aber als ich mich umdrehte war nichts zu sehen. Ich konnte das Geräusch nicht einsortieren und döste kurze Zeit später weiter vor mich hin. Nach einer Viertelstunde hörte ich erneut ein - diesmal zweifaches - “ssschhhhfffffffff - ssschhhhfffffffff” achteraus. Ich drehte mich erneut um, doch wieder war nichts zu sehen. Ich starrte in die Richtung aus der das Geräusch vermutlich kam und grübelte darüber nach, welcher offensichtlich tauchende Vogel so ein Geräusch macht. Die inzwischen killenden Segel machten mich darauf aufmerksam, dass ich offensichtlich den Kurs nicht hielt und verdrängten die Vogelgedanken. Ich brachte uns wieder auf Kurs und als ich zehn Minuten später mit einer Peilung achteraus den Versatz kontrollieren wollte hörte ich während der Kopfdrehung nach achtern wieder ein “ssschhhhfffffffff - ssschhhhfffffffff”. Nun allerdings sah ich auch die Verursacher oder zumindest ihren Rückenfinnen beim abtauchen. Wenigstens zwei Tümmler folgten unserem Kielwasser. Als ich Herta darauf aufmerksam machte glaubte sie mir allerdings kein Wort. Zumal die Tümmler nun auch nicht mehr auftauchten.

Weitere zwei Stunden später erreichten wir Wangerooge. Der Wind nahm - soweit überhaupt noch möglich - noch weiter ab. Wir erfanden einen neuen Begriff für diese Art des Segel-stehen-lassen-und-mit-flappenden-Segeln-den-letzten-Windhauch-nutzen: durchflappen. Wir flappten also bis zur Blauen Balje durch. Dort kam ein niederländischer Kat aus Richtung Weser in einem seltsamen Zick-Zack-Kurs, der vermuten ließ, er suche Kontakt, auf uns zu. Wir legten uns bei und ließen ihn rankommen. Er fragte uns vorm Ostende von Wangerooge nach eben dieser Insel und - nach meiner etwas verwirrten Geste in Richtung Insel - nach der Ansteuerung des Hafens. Ich fragte nach seinem Tiefgang und beschrieb ihm dann beide Routen - durch die Harle und durch die Blaue Balje - so plastisch wie möglich. Er fragte, ob denn in der Harle Tonnen liegen würden und zog nach meiner Bejahung und seiner Danksagung in Richtung Harle davon. In seinem Kielwasser blieben zwei ratlose Gesichter zurück.

Wir gingen um Buhne A von Minsener Oog herum in die Jade hinein. Der Wind schlief immer weiter ein und war zwischen Minsener Oog und Schillig dann ganz weg. Zwar setzte mittlerweile der Flutstrom ein und nahm uns mit nach Süden, aber zum Segeln reichte der Wind nun nicht mehr. Wir bargen die Segel und gingen unter Maschine weiter. Auf Höhe Horumersiel schien sich der Wind nochmal berappeln zu wollen, aber kaum hatten wir die Segel wieder oben, war der Windhauch auch schon wieder weg. Also Segel wieder runter und Maschine wieder an.

Wir erreichten schließlich kurz vor 19 Uhr den Vorhafen von Hooksiel, wo bereits einige Boote auf die Schleusung warteten. Viele waren es nicht - ungefähr eine halbe Schleuse voll. Zwei dicke 40-Füsser gingen als erste rein und machten in der Mitte der Kammer fest - der eine an Backbord, der andere an Steuerbord. Die beiden Dicken wollten es wohl bewusst spannender gestalten. Wir passten als Letzte einlaufend gerade eben noch in die Schleuse rein und damit war die Schleuse - oder zumindest der nicht blockierte Bereich - voll. Der Schleusenwärter sagte erstaunlicherweise nichts zu dieser Kasperei. Unsere Schleusenwärter hätten die beiden aus der Schleuse hinaus expediert, alle anderen reingeholt und die beiden Dicken als letzte einlaufen lassen - oder erst bei der nächsten Schleusung mitgenommen. Naja, andere Länder, andere Sitten. Gegen 20 Uhr hatten wir dann das Boot am Steg fest und aufgeklart. Und dann mussten wir auch dringend sehen, das wir bei dem Spanier hinterm Deich was zu essen kriegen.

Am darauf folgenden Tag herrschte Flaute. Wir blieben somit im Hafen und statteten unseren in Hooksiel beheimateten Familienteilen Besuche ab. Außerdem trafen wir noch Erhard und Angie und hatten einen wie immer nett-interessanten Plausch bei ihnen an Bord. Tags darauf herrschte immer noch nicht viel Wind, aber wir wollten weiter. Um acht Uhr morgens gingen wir raus und machten zunächst eine Besichtigungsfahrt an der Baustelle des Jade-Weser-Port entlang, bevor wir in die Kaiserbalje einbogen. Nahe der Kabeltrasse - nördlich Langwarden - kamen wir dann fest, warfen erst mal Anker und legten eine Frühstückspause ein. Auf der anderen Seite der Kabeltrasse lag ein Motorboot aus Verden an der Aller, dass in die Gegenrichtung wollte. Das Motorboot wollte offenbar nicht ankern und schob sich mit schierer Maschinenleistung über den Schlick. Irgendwann war dann auch für uns genug Wasser da, wir gingen anker auf und weiter Richtung Fedderwarder Priel.

Wir vom Fedderwarder Priel in den Mittelpriel und schließlich beim Wremer Loch in die Weser. Von Westen zog eine ziemlich dunkle Wand hinter uns her. Auf Höhe Langlütjen II und Containerterminal hatte sie uns fast erreicht. Die Sicht fiel sehr schnell auf unter eine Meile und der Himmel wurde schwarz. Zum Glück hatten wir es nicht mehr weit, knapp drei Meilen noch. Als wir die Schleuse zum Lloydshafen erreichten trafen uns die ersten Böen. Vom Vorhafen aus funkten wir die Schleuse an, die sich auch prompt für uns öffnete. Und keine zehn Minuten später lagen wir auch schon am Steg, während die himmlische Hölle über uns hereinbrach.

Genauso schnell wie das dunkle Wetter kam, verschwand es auch wieder. Als der Himmel aufklarte bemerkten wir erst, wie exponiert wir lagen. Aus unserer Plicht heraus sahen wir das Klimahaus, den Zoo am Meer, das Columbus-Center und das Auswandererhaus. Keine fünf Minuten zu Fuß von unserem Liegeplatz entfernt. Gleichzeitig war es dort so ruhig wie irgendwo in der Pampa. Die Marina - die wir bis dato noch nicht kannten - ist ziemlich neu und ziemlich professionell. Die Sanitäreinrichtungen sind picobello, der Info-Service im Hafenmeister(innen)-Büro kann mit jedem Hotel mithalten (was vielleicht auch daran liegt, dass das Gebäude ein vom gleichen Personal betreute Herberge beinhaltet), Lebensmittel bekommt man im Columbus-Center und für den zehn Minuten Gang zur Straßentankstelle stehen komfortable Karren bereit. Die Liegegebühren sind mit zehn Euro pro Tag bis 8 Meter Länge völlig im Rahmen (die Schleuse kostet nichts). Alles in allem ein guter Hafen mit allen Versorgungsmöglichkeiten. Wir verbrachten eine längere Zeit in Bremerhaven und nahmen uns viel Zeit für die Stadt und ihre Attraktionen.

Aber irgendwann mussten auch wir wieder aufbrechen. Wir verließen Bremerhaven eines Morgens um sieben, um den Rest Ebbstrom zu nutzen. Hochwasser war um kurz vor vier am Morgen. Wir hofften, den Ebbstrom bis zum Fedderwarder Priel nutzen zu können, um dann mit dem einsetzenden Flutstrom nach Fedderwardersiel reinzulaufen. Der Wind kam aus NE mit drei und der Strom würde uns schieben - also Idealbedingungen, um ruhig und kontrolliert am Containerterminal vorbeizukommen. Vom Liegeplatz aus funkten wir die Schleuse an, die sofort die Kammer für uns vorbereitete. In der Schleuse hing ein Transparent auf dem “Für die besten Schleusenwärter der Welt” stand. Nun, die besten Schleusenwärter der Welt sitzen natürlich bei uns Greetsiel - aber gleich danach, mit nur einem Hauch Abstand kommen die Bremerhavener! Wir verließen Bremerhaven und gingen auf der “falschen” Fahrwasserseite außerhalb des selbigen scharf an den Buhnen entlang. Im Fahrwasser selbst war trotz der frühen Stunde einfach zu viel los und ich glaube, sowohl die Schlepper, wie auch die WaschPo begrüßten unseren Kurs.

Am Ende des Containerterminals nutzten wir eine ausreichend große Lücke zwischen den ein- und auslaufenden Dampfern für einen Wechsel zur Ostseite der Weser. Dort gingen wir wieder aus dem Fahrwasser raus und steckten eine Kurs zwischen Fahrwassertonnen und Buhnen. Gemächlich zogen wir mit Kurs NNW dahin und frühstückten unter Segeln. Die nächsten zehn Meilen ging es so weiter und während wir am alten Suez und am Wremer Loch vorbeizogen kam uns eine ganze Flotte von Kreuzfahrern entgegen - muss wohl gerade Bettenwechsel gewesen sein. Die Passagiere an Deck winkten sich einen Wolf und nicht wenige bannten uns auf den Chip ihrer Kamera. Es ist schon ein imposanter Anblick, wenn im Abstand von wenigen Kabellängen diese weißen, mehrgeschossigen Riesen vorbeiziehen, während jenseits der Leitdämme die Schlickbuckel hoch aufragen.

Ziemlich genau rund Niedrigwasser erreichten wir das Ende der Leitdämme und konnten in den Fedderwarder Priel eindrehen. Da es schnell flacher wurde und wir sowieso zu früh dran waren, nahmen wir auf diesem Vorwindkurs Richtung Flachwasser das Groß weg. Unsere Genua zog uns, der gerade einsetzende Flutstrom schob uns - perfekt. So zogen wir ganz sachte dahin. In der flotten S-Kurve kurz vorm Fischereihafen mussten wir jedoch einmal kurz den Jockel hinzunehmen, da der Wind bei der Stromstärke nicht ausreichte, um den Kurs zu halten. Wir gingen am Fischereihafen vorbei Richtung Butjadinger Yachtclub. In der Hafenzufahrt stand jedoch noch viel zu wenig Wasser, also gingen wir südlich der Rinne, nahe an der Wattkante vor Anker. Durch das Fernglas konnten wir schon die Fed-Sieler Hafenmeisterin Ruth ausmachen, die uns auch schon ausgemacht, aber wohl noch nicht erkannt hatte. Nach einer kurzen Wartezeit und einem Telefonat mit Jost konnten wir die Barre in der Hafeneinfahrt dann passieren. Wir machten am Steg fest und ging erst mal Ruth begrüßen.

In Fedderwardersiel verbrachten wir in paar Tage, trafen neben Ruth und Jost auch Erwin mal wieder, genossen unseren Urlaub und die freundschaftlichen Gespräche. Jost war dann noch so nett, mit mir eine Einkaufstour zum Supermarkt zu machen, damit wir frisches Grillfleisch für den kommenden Abend bunkern konnten. Zur Grillparty der Funregatta des Nordseeseglerforums wollten wir nämlich rüber nach Hooksiel. Von der rechtzeitigen Teilnahme an der Regatta trennte uns leider ein Wattenhoch. Wir konnten erst zum Zeitpunkt des Regattastarts ablegen, wollten aber wenigstens zum Zieleinlauf dazu stoßen. Der Wind kam aus Nord, anfangs moderat, später jedoch frischte er auf. In der Kaiserbalje war es ungewöhnlich kabbelig und es herrschte reger Verkehr. In der Jade hatten wir dann immer noch auflaufend. So kreuzten wir gegen Wind und Strom Richtung Hooksiel und es wurde etwas nass an Deck.

Wir hielten wacker Ausschau nach dem Regattafeld, konnten aber nur Bernd (der auf der Jade sehr beschäftigt war und uns daher wohl nicht erkannte) und Hans-Joachim, der ebenfalls mit seiner Sturgeon von der Jade aus Richtung Hooksiel einlief, ausmachen. Wir lagen dann in der Schleuse hinter dem immer noch viel beschäftigten Bernd und vor unserem Schwesterschiff. Nach einem kurzen Plausch mit Hans-Joachim (der auch bezahlen musste, aber dafür an der “falschen” Kammerwand lag) flitzte ich nach oben und entrichtete die Schleusengebühren für beide Sturgeons. Zwei fünfundvierzigjährige Boote diesen Typs gemeinsam in der Schleuse - das ist schon sehr ungewöhnlich. Nachdem wir am Stegfestgemacht hatten, erfuhr ich telefonisch von Rolf, dass das Regattafeld schon eine Stunde zuvor rein geschleust ist und die Orga-Crew den Grill auf massives Drängen einiger anscheinend sehr Ausgemergelter bereits anfeuern musste.

Das war jetzt aber erst mal zweitrangig, denn wir musste vorher unbedingt gegenseitig unsere Schwesternschiffe begutachten, Infos und Tipps austauschen und Kontakte vereinbaren. So erreichten wir die Party erst mit deutlicher Verspätung, wurden dafür aber umso liebevoller empfangen. Wir wurden von unserem Rudel gleich zum passenden Tisch gelotst, bekamen einen Platz auf Rolfs “Beistellgrill”, durften uns an Claus Bierfass laben und den dicken Gott einen guten Mann sein lassen. Alles war gut! Schön war auch die Runde aus Sylva, Regina, Wilko, Simone, Erhard und Jörg. Angie, die wir schmerzlich vermisst haben, musste leider arbeiten. Wir haben gut gegessen, noch besser getrunken und viel gelacht.

Als wir am nächsten Morgen aufräumen wollten, war bereits fast alles erledigt. Zuerst hieß es noch, wir können in Ruhe frühstücken (okay, der Begriff “in Ruhe” ist vielleicht etwas indifferent), aber so langsam sind wir eigentlich nicht. Es gab dann noch nette Gespräche an Bord der unterschiedlichen Boote und ich konnte Erhards Laminierarbeiten endlich würdigen. Dann löste sich der ganze Pulk auf und die ersten legten Richtung jeweiliger Heimat ab. Wir blieben noch einen Tag länger und gingen erst am Montagmorgen um acht durch die Schleuse raus. Unser Etappenziel war entweder Wangerooge, Spiekeroog oder Norderney - je nachdem, wie sich der Wind entwickeln würde. Mit uns zusammen raus gingen noch ein Vareler Zweimaster und ein Franzosen-Leichtbau. Von den Varelern wusste ich, dass sie nach Spiekeroog wollten. Wohin der Franzosen-Leichtbau wollte, konnte ich nicht ergründen. Kommunikation ist wohl manchmal eine schwierige Sache.

Wir gingen gleich nach der Hafenausfahrt Hooksiel auf Kurs NNW, also direkt an der Wattkante lang. Das Hochwasser war zwei Stunden her, aber für uns reichte es noch zum schnippeln. Die anderen beiden gingen zunächst weiter nach Osten, drehten dann aber recht bald auch nach NNW und nahmen die Verfolgung auf. Bis Minsener Oog blieben sie achteraus, aber auf Höhe M-Oog hatte uns der Franzosen-Leichtbau eingeholt. Nördlich Minsener Oog gingen die Franzosen in Führung, die Vareler und wir zuckelten hinterher und fielen mit der Zeit immer weiter zurück. Bei einer gemächlichen Restdünung ging es an Wangerooge vorbei. Der Wind kam inzwischen mit flauen 2 aus Nord. Direkt vor Spiekeroog machte Herta eine ganze Schule von Tümmlern aus. Wir zählten mindestens fünf Tiere, die dicht nacheinander an die Oberfläche kamen. Damit war der ursprüngliche Verdacht, ich hätte auf der Hintour bei r ersten Sichtung im gleichen Seegebiet unter rudergangsbedingten Wahnvorstellungen gelitten hinfällig. Wir haben versucht, das Schauspiel auf Video zu bannen - aber das Ergebnis gleicht eher Aufnahmen am Loch Ness.

Als wir Spiekeroog fast passiert hatten, zog von Westen her eine ziemlich dunkle Front herauf. Wir beschlossen dieser Front nicht weiter entgegen zu kommen, sondern stattdessen Spiekeroog anzulaufen. Wir wollten ohnehin noch ein paar Tage auf Spiekeroog verbringen, also warum nicht auch jetzt. Die Ansteuerung der Otzumer Balje erreichten wir kurz nach Niedrigwasser. Wir hatten eine Restdünnung von etwa einem dreiviertel Meter, die sich auf den Sänden rund ums Gatt brach. Aber auch im Gatt gibt es zwei Stellen, die sind so flach, dass wir da beim durchsacken lieber nicht draufschlagen sollten. Also lagen wir in den kommenden 45 Minuten bei und warteten ab. Die Vareler machten es, nachdem sie uns wieder eingeholt hatten, ebenso. In der Restdünung gingen wir wie ein Korken hin und her. Irgendwann hatten wir keine Lust mehr und wagten den Anlauf - etwas zu früh, wie wir später merkten, denn an einer Stelle hatten wir im Wellental nur 30cm Wasser unterm Kiel. Grundberührung hatten wir jedoch nicht. Wir gingen in Spiekeroog auf unseren Stammplatz und 90 Minuten später kam dann auch der Vareler rein.

Auf Spiekeroog verbrachten wir dann ein paar nette Tage. Die Insel war wie immer traumhaft, aber die Situation der Sanitärcontainer wird immer fataler und war - wie sich aus den vielen Gesprächen ergab - auch ein großer Kritikpunkt bei vielen Gastliegern. Hier soll es laut “Hafenfunk” zwar demnächst eine Lösung (festes Sanitärgebäude) geben, aber konkret ist das leider noch nicht. Während unseres Aufenthalts erlebten wir dann noch großes Hafenkino mit insgesamt drei beschädigten Booten. Ein Skipper, der sein 12 Meter Boot auf die Innenseite des U-förmigen Steges ganz nach innen gelegt hatte (westlicher Steg), wollte ablegen. Er versuchte rückwärts aus der Boxengase rauszukommen, kriegte den Dreh aber nicht richtig und kam mit seinem Rumpf den Hecks am Oststeg immer näher. Wohl um die Situation zu retten gab er Vollgas, was der Bug seines Bootes mit noch stärkerer Drehung nach Lee quittierte. Seine Frau schrie ein “Achtung”, aber kurz danach war es auch schon geschehen. Mit seinem Bug erwischte er das Beiboot und die Davits eines anderen Bootes, sein Buganker riss dann das Beiboot runter und beschädigte die Davits.

Jetzt war ein lautes, sehr eindeutiges Brummen zu vernehmen und der Bug schwenkte mit Hilfe seines Bugstrahlruders herum. Er verließ dann die Boxengasse, kehrte aber nach wenigen Minuten zurück und machte mit Hilfe aller auf dem Steg befindlichen Personen - bis auf den geschädigten, denn der war im Ort - mit großem Aufwand und etwas umständlich direkt neben dem beschädigtem Boot fest. Eine ausführliche Schadensbegutachtung, die Rettung des langsam absaufenden Beiboots, das Einsammeln der umhertreibenden Ausrüstungsgegenstände des Dingis und das Hinterlassen einer Nachricht folgten dann. Der Hafenmeister wurde jedoch nicht aufgesucht. So legte er wieder ab und rasierte auf genau die gleiche Weise dem nächsten Boot die Badeleiter ab und riss ein Loch in den Rumpf - zum Glück oberhalb der Wasserlinie. Er verließ wieder die Boxengasse, kehrte nun aber nicht zurück, sondern machte am Kopfende fest. Dass er am Kopfende lag und zu Fuß den zweiten Geschädigten aussuchte nahmen wir alle mit Erleichterung zur Kenntnis. Die Frage, warum er das offensichtlich vorhandene Bugstrahlruder nicht gleich vor dem ersten, spätestens jedoch vor dem zweiten Ramming benutzte wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben.

Zwei Tage später zogen wir weiter. Kurz nach sechs am Morgen ging es los. Hochwasser sollte gegen 9 Uhr sein. Der Wind kam ca. mit vier aus SW. Die ersten drei Meilen waren leider gar nicht zu segeln und so beschlossen wir, die Lappen erst unterhalb von Langeoog hochzuziehen. Wir waren aber nicht allein unterwegs, denn kurz vorm Segel setzen sichten wir Wolfgang mit seiner Southerly auf Gegenkurs. Obwohl er auch in Greetsiel liegt hatten wir ihn das letzte Mal beim Sommerfest getroffen. Aber auch so blieb uns nur heftiges Winken und rudimentäre Verständigung. Auf die Idee zur Funke zu greifen kam ich halb noch schlafend natürlich nicht. Kurz danach lag der Wind besser an und wir setzten Groß und Genua. Wir hatten zwar jetzt den Strom gegen an, trotzdem ging es recht zügig am Langeooger Hafen vorbei und rauf aufs Baltrumer Watt. Wir querten den Wattbuckel kurz nach Hochwasser. Gut eine Stunde nach Hochwasser gingen wir über das Norderneyer Wattfahrwasser. Gegen halb zwölf machten wir schließlich auf Norderney fest.

Eine Erkältung hatte uns nun leider beide erwischt. Herta laborierte schon etwas länger daran herum, mich erwischte es etwas später. Dies zwang uns zu einem mehrtägigen Zwischenstopp mit Arztbesuch und Antibiotika. Aber so trafen wir wenigstens noch ein paar Leute, wie z.B. Klaus und Helga oder auch Jürgen. Und das Wetter der kommenden Tage verhieß auch nichts Gutes. Also war erst einmal etwas Erholung mit netten Gesprächen angesagt. Nach ein paar Tagen wollten wir eine “Wetterlücke” nutzen, bevor das nächste Tief uns erreichen würde. Mit fünf aus SE hatte der Wind zwar etwas abgeflaut, aber gemütlich war es mit dem verhangenen Himmel und den gelegentlichen Schauern trotzdem nicht.

Wir beschlossen zunächst nach Norddeich rüberzugehen, dort zu frühstücken und dann zu entscheiden, was wir weiter machen. Also ging es mit Brötchen um halb neun los und wir machten eine Stunde später in Norddeich fest. Der Wind schien nachzulassen, er ging zeitweilig sogar auf drei zurück. Also schmissen wir nach dem Frühstück die Leinen wieder los und gingen durch das Norddeicher Wattfahrwasser Richtung Greetsiel weiter. leider war der Rückgang auf drei nur das Luft holen und die Ankündigung von mehr. Just als wir das Wattfahrwasser verließen drehte der Wind auf S und nahm schnell zu. Wir hatten 5-6 in Böen 7-8 genau auf den Kopf. Das Wasser lief inzwischen ab, damit stand Wind gegen Strom und erzeugte eine steile, sehr kurze See mit viel Wasser an Deck. Zeitweilig hatten wir das Gefühl überhaupt keine Fahrt über Grund zu machen. Das Gestampfe war sehr unangenehm und wir waren froh, die Greetsieler Kutter um uns herum zu haben. Hinzu kamen dann noch Regenböen, die uns zeitweilig völlig die Sicht nahmen und deren Druck uns manchmal um 30 oder mehr Grad aus dem Kurs boxten. Wir mussten auf den letzten Meilen sogar Kompass und GPS dazu nehmen, weil die Sicht auf nahezu Null fiel.

Schließlich erreichten wir aber den Schleusenvorhafen und gingen zusammen mit fünf Kuttern rein. Andere Sportboote waren zum Glück nicht mehr draußen. So machten wir schließlich völlig durchgefroren und etwas durchnässt gegen halb zwei Mittags am Steg fest. Wir haben dann das Schiff gelenzt (im Seegang hatte sich ein Backskistendeckel halbseitig gelöst und uns ein paar Liter in der Bilge beschert) und die wichtigsten Sachen von Bord genommen. Den Rest holten wir in den folgenden Tagen.

Trotz des stürmischen Endes mit angeschlagener Gesundheit war es ein sehr schöner Törn, mit schönen Segelabschnitten. Insgesamt legten wir ca. 280 Meilen in drei Wochen zurück. Es wären auch noch mehr geworden, wenn Wetter und Gesundheit besser mitgespielt hätten. Aber wie heißt es so schön? Nach dem Jahresurlaub ist vor dem Jahresurlaub. Damit liegen wir bislang bei einer Gesamtmeilenzahl von etwas über sechshundert in 2010. Vor dem Hintergrund wollen wir nicht meckern.
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Olaf
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Alt 24.09.2010, 11:15
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Nachtrag:

Hier noch ein erstes kleines Video von einem Teil des Törns:

http://www.youtube.com/user/wattsegl.../0/1t_K-1AWkR8
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Olaf
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  #3  
Alt 13.10.2010, 13:50
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Moin mitnanner,

Hab noch zwei weitere Videos (Bremerhaven Lloydhafen und Von Bremerhaven nach Fedderwardersiel) in meinen Youtube Kanal gestellt. Hier gehts zum Kanal:

http://www.youtube.com/user/wattsegler

Der Rest folgt dann noch...
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Olaf
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