Auswintern

[Beluga]

Morgen wird ausgewintert! Nächste Woche geht’s auf die Werft und die Woche drauf fahren wir!“ Der kategorische Imperativ meines Kapitäns ist mit nichts zu überbieten.
„Madam, heb den Hintern aus dem Sessel und fang an zu packen!“
„Madam“ hebt den Hintern aus dem Sessel, wirft die Kaffeemaschine an und genehmigt sich auf diesen Schreck erst mal einen Schluck und einen Dickmanns.
Eigentlich müsste ich es ja gewöhnt sein.
Den ganzen Winter jammert er rum und meckert, dass dieses Jahr der Frühling viel später kommt als sonst und Ende Februar eröffnet er ohne viel Federlesen die Saison für sich. Und für mich.
Bereits am zweiten Tag stänkert er schon wieder:“ Niemals werde ich mit meiner Arbeit fertig! Die Zeit läuft mir unter den Fingern weg!“ Und mit leidender Miene und erhobenen Fingern zählt er mir auf, was er dieses Jahr noch alles zu machen hat, bevor das Boot einiger- maßen wieder in Schuss und einsatzbereit ist. (Unser Boot ist immer wie aus dem Ei gepellt)
Ihn zu fragen, was er denn den ganzen Herbst gemacht hätte, als er wochenlang jeden Tag verschwunden ist, das verkneife ich mir großzügig.
Bis an die Zähne bewaffnet mit Pinseln, Farbeimern, Putzmittel und Politur zieht er in seinem ältesten, verflecktesten Blaumann los - nur um dann, wenn er zu streichen beginnt, den neusten Arbeitsanzug rauszukramen, der im Schrank liegt. Männer!!
„Du kannst ja wohl jeden Tag schon was mitnehmen, wenn du an Bord gehst!“, damit drücke ich ihm täglich unseren schwarzen Riesen in die Hand, prallgefüllt bis zum Bersten.
„Ich habe letztes Jahr erst den Wasserpass ein Stück höher gemalt. Also halte dich gefälligst ein wenig zurück Jedes Kilo, das wir mit uns rum schleppen kostet Sprit“
„Ja, Spatzel.“
Was soll man auch sonst dazu sagen.
Bei der dritten Fuhre fängt er schon wieder an:“ Das darf ja wohl nicht wahr sein! So viel haben wir ja noch nie aus Schiff geschleppt! Das ist ja jetzt mindestens eine Tonne!“
(Das sagt er jedes Jahr. Ob seine Schallplatte einen Sprung hat?)
„Ja, Spatzel.“
„Bücher? Schon wieder Bücher? Du hast doch mindesten noch 20 Bücher an Bord, die du letztes Jahr nicht gelesen hast.“
„Ja, Spatzel.“
Wie der Herr Blutvergießer persönlich tigert er auf dem Steg herum.
„Zehn Zentimeter Wasserpass sind weg Mindestens, wenn nicht mehr!“
„ Ja, Spatzel.“
Sein Wasserpass war höchstens 10 Zentimeter hoch und ist immer noch zu sehen.
Und es ist mir auch egal, was er sagt.
Und Frau braucht für einen Langzeiturlaub einiges an Bord.
„Ach du liebe Güte, wegen deinem Gemeckere hätte ich fast meine Faltencreme vergessen!!“
Männer verstehen von Faltenpflege überhaupt nichts. Die können da gar nicht mitreden, mit ihrem ekelhaft straffen Bindegewebe und ihrer widerlich starken Zellstruktur. Wenn er für seine empfindlichen Zahnhälschen eine Spezialzahnpasta mitnimmt, kann ich ja wohl eine Spezialcreme für mein Faltenhälschen einpacken. Soll ich mit 60 aussehen wie eine alte Schrapnelle?
Nur mit den Kleidern, da lasse ich mit mir reden.
Die Zeiten der herausgeputzten Pferdchen haben wir lange hinter uns. Heute bevorzugen wir den ausrangierten Esel-Look. Bequem und bloß nicht zum Bügeln.

„Na siehste, mein Spatzel, alles ist an Bord und du musstest auch dieses Jahr wieder keine zusätzlichen Schwimmer anbauen.“
Jedem leidgeprüften Skipper sein jährliches Saison-Eröffnungs-Wunder.
Auf geht’s.

Copyright Doris Sutter
gerade erschienen im Fuestruper Hafen-Kurier

[Beluga]

Da hab ich jetzt wirklich suchen müssen.
Danke Anneke!