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Törnberichte Wie der Name schon sagt. Keine Antwortmöglichkeit!

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Alt 15.11.2010, 11:08
Neusiedler Neusiedler ist offline
Deckschrubber
 
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Standard Palma–Riposto 12.-21. November 2008

Zunächst, Verzeihung, das es noch kein ganz auktueller Bericht ist - er ist aber Lesenswert. Neue werden Folgen:


Es war eines dieser Telefonate, die einen vollkommen überraschen. Dass mich Gunnar am 31. Oktober anrief, dafür hätte es einige Gründe gegeben, den tatsächlichen konnte ich nicht erahnen: Eine Bootsüberstellung von Mallorca nach Sizilien, Abflug in 12 Tagen, mitten im November. Das aber nicht mit irgendwem, sondern mit einer Hand voll guter Freunde aus der Segelschule. Wir haben uns alle sehr schnell und spontan dafür entschieden – was für eine Frage. Tickets buchen, Ausrüstung checken und schon war die Vorfreude perfekt.

Auch wenn die Wetterprognosen einen stürmischen Mistral erwarten ließen, die Lust auf meinen ersten Novembertörn überwog. Nur einmal, überkam mich Zweifel und die nicht zu beantwortende Frage „was mache ich Mitte November, mitten im Mittelmeer?“. Aber bei soviel „Mitte“ war ich bald wieder zuversichtlich.

Beruhigende Sicherheit vermittelte mir unsere Crew. Alle Segler aus Leidenschaft: Zunächst einmal unser Skipper Gunnar. Chef der Segelschule Kreindl und auf allem was Segel hat zuhause. Mit ihm zu segeln war ein zentraler Motivationsfaktor, denn immerhin hieß das, von einem Top-Skipper lernen zu können. Noch mit dabei die frisch FB3 geprüfte Yvonne, der wagemutige Allessegler Moritz, der TopKat-Freak Markus und ich, der Spätberufene. Im Großen und Ganzen eine zuverlässige Crew. Unser Boot: Eine Bavaria 50 Cruiser, 2005

12. November, Palma. In Palma gelandet, teilen wir uns in eine Versorgungs- und eine Organisationsgruppe. Während die einen Proviant für 10 Tage besorgen, machen Gunnar und Ich das Boot klar. Am Abend genießen wir die spanische Lebensart. Die im Sommer wild pulsierende Stadt zeigt sich entspannt und angenehm. Fernab der Touristenpfade erliegen wir der heimische Küche bei gutem Wein. Zu bemerken ist, dass der von den Mallorquinen beliebte Kabeljau zumal sehr üppig zubereitet wird und durchaus gewöhnungsbedürftig sein kann. Ja, er kann auch noch Tage später auf sich aufmerksam machen.

Am nächsten morgen geht es gleich los, nur tanken ist noch vorgesehen. Wetter: dicht bewölkt, leichter regen, 10 Knt NW. Bei der Hafenausfahrt passieren wir den Real Club Nautico, an dessen Tankstelle wir zwei wunderschöne, etwa 70-Fuß lange Segeljachten bestaunen. Gunnar hat darauf nichts besseres zu tun, als sich genau in die etwa 60-Fuß lange Lücke zwischen den Prachtstücken derart genau und simple rein zu manövrieren, dass wir anerkennende Grüße der "Pracht-Skipper" erhalten. So beginnt man einen Törn doch gerne, erhoben auf den Sockel der „Könner“ – auch wenn einer selbst nicht viel dazu beigetragen hat und schon gar nicht auf die Idee käme, ein derartiges Manöver selbst zu wagen.

Der erste Schlag führt uns südöstlich um den Cap Blanc herum. Dabei bekommen wir eine Einführung in die Sicherheitsausrüstung, wir klären grundsätzliche Bordregeln und üben ein, zwei Manöver zum Aufwärmen. Danach geht es der Südküste entlang, wo uns Delfine lange begleiten. Wir beschließen aufgrund des nicht besonders einladenden Wetters gleich nach Sardinien aufzubrechen. Somit besprechen wir die kommenden Nachtschichten und lassen Cabrera ihren wohl verdienten Frieden. Die Vorhersage für die Überfahrt lässt uns etwa 20 bis 30 Knt aus NW erwarten, vielleicht mit etwas Regen. Wir stellen uns auf eine flotte Fahrt bei achterlichem Wind ein. Bezüglich Nachtchichten haben wir uns auf zwei Zweier-Teams zu je 5 Stunden geeinigt, wobei Gunnar als Springer und Trouble Shooter frei bleibt.

Markus und ich beginnen um 15:00 Uhr und erfreuen uns 15-18 Knt NW bei wenig Welle. Sogar die Sonne lächelt uns noch einmal zu. Dennoch reffen wir bereits ein wenig um die Nachtfahrt vorzubereiten. So übergeben wir auch an Yvonne und Moritz um 20:00. Unter Deck merke ich mit der Zeit, dass sich die Umstände etwas ändern und ich nur noch schwer Halt in der Koje finde. Als ich mich zur zweiten Schicht bereitmache, wird das Umziehen zum Krampf. Endlich oben übernehmen Markus und ich um 01:00 bei 1,5 Meter Welle mit einigen Brechern und 25 Knt N. Die Segel sind weiter gerefft. Es ziehen Gewitterzellen um uns herum, wobei wir nicht viel sehen. Der Wind nimmt bis auf 35 Knt zu, die Wellen auf 2,5 Meter, die Brecher gleichen nun Wasserfontänen von oben. Mit Gunnars Unterstützung reffen wir auf etwa 6m² Groß und etwas Genua. Damit machen wir noch immer 6-7 Knoten Fahrt.

Um 06:00 freuen wir uns schon auf Ablöse, diese kommt aber nur zur Hälfte, da Yvonne ausfällt. Zu viel Achterbahn. Ich verlängere meine Schicht. ... Das hätte ich mir besser überlegen sollen, den kurz darauf fordert uns ein etwas großgewachsener Brecher, den wir übersehen haben heraus und bringt das Boot auf 45 Grad Neigung. Moritz wird vom Steuerrad weggeschleudert, ich werde in der Plicht gebadet. Hoppla! Markus löst mich um 07:30 ab - endlich schlafen, auch wenn bei verkrampfter Liegetechnik.

Tagsüber geht es ähnlich weiter. Alles grau in grau, Wellen und Brecher bei gemessener Windspitze von 45 Knt. Im Laufe der zweiten Nacht beruhigt sich die Lage. Der Wind flaut fast vollends ab und wir motoren entspannt nach Sardinien. 15. November, Carloforte. Hier, im Südwesten Sardiniens ist die erste sichtbare Ansiedlung keine Augenweide. Portoscuso präsentiert sich als Industriehafen mit einem zur Stadtgröße überdimensionalen Schlot. Wir erkundigen uns nach einer Tankstelle und erfahren erstaunen, diese befinde sich nicht am Festland, sondern auf der kleinen, vorgelagerten Insel. So gelangen wir nach Carloforte, dem einzigen Ort auf der Insel San Pietro. Die reizvolle Hafenpromenade wirkt auf mich wie eine verlassene Geliebte. Die Saison ist zu Ende, und die Hoffnung, die Gäste werden zurückkehren liegt in der Luft. Der Ortsplatz gehört jetzt wieder den alten Herren. Sie flanieren, spielen Billard im Café und kommentieren jedes Geschehen. Wir schnuppern Landluft, genießen einen echt guten Espresso, erholen uns und bringen das Schiff wieder auf Vordermann.

Am kommenden Tag machen wir uns wieder auf den Weg bei 10 Knt Nordwind. Am Capo Sperone unterhalten uns Delfine mit ihren spielerischen Unterwassertänzen. Es ist warm und sonnig – wunderbar! Leider verpatzt uns das Groß ein wenig den Genuss. Gunnar entdeckt einen noch kleinen Einriss am Achterliek und in Ermangelung an Reparaturmaterial müssen wir auf 80% des Groß verzichten. Wir fixieren den Riss mit Textilband und reffen bis zur betroffenen Stelle. Zum Glück nimmt der Wind soweit zu, dass wir dennoch gute 6 Knt Fahrt machen können. Im Laufe der Nachtfahrt dreht der Wind auf Ost, sodass wir kreuzen müssen. Wir nehmen Kurs 120 bis wir einen Anlieger nach Ustica erreichen. Markus und ich machen uns den Spaß, mit geschlossenen Augen zu steuern. Es geht darum, das Boot nur mit Gespür optimal auf Kurs zu halten. Konzentration! Der Mond leuchtet hell und die Milchstraße leitet uns. Wir werden mit dem Boot eins, gleichen jede kleine Bewegung aus und düsen durch die Nacht – herrlich. Später ziehen vermehrt Wolkentürme auf und wir werden ein wenig unruhig. Nicht schon wieder Sturm, bitte! Als uns eine dunkle, finsterere Wolkenwand bedroht reffen wir hektisch und schalten den Motor ein. Es passiert nichts. Kein Wind, absolute Stille.

Die nächsten 24 Stunden kreuzen wir gemütlich wieder unter Segel Richtung Ustica. Moritz bereitet uns die besten Omlets aller Zeiten zu und wir erleben einen wunder schönen Sonnenaufgang. Über Stunden hindurch sehen wir das meilenweit entfernte Italienische Festland im rot-orangen Relief vor uns unter göttlichem Himmelsblau. Und weil es so schön ist, erheben wir mit den Klängen von ABBA die Szenerie zum Kitsch. 18. November, Ustica. Dienstag vormittag erreichen wir entspannt Ustica. Die kleine Insel nördlich von Palermo und westlichste der Aeolischen ist eine genussvolle Belohnung. Das romantische Fischerdorf verbreitet Unbeschwertheit und echte Ursprünglichkeit. Im „La Luna sul Porto” erfreuen wir uns über köstliches Tunfischcarpaccio und die besten Gamberetti aller Zeiten. Es ist eine ruhige Nacht und es wird auch die nächsten Tage so bleiben. Die Aeolischen Inseln liegen monumental im stillen Tyrrhenischen Meer.

Es ist schwer zu glauben, dass wir schon November haben. Das Wasser lädt uns mit seinen 20 Grad unwiderstehlich zum Baden ein, und die Sonne wärmt uns in fast sommerlicher Manier. In Lipari liegen wir vollends ohne Hektik im Fährhafen. Um diese Jahreszeit ist Italien irgendwie in einem Trancezustand. In einer Trafik überrascht unsere Präsenz offensichtlich die betagte Verkäuferin. Erst als wir schon zum Ausgang gehen, fällt ihr ein, uns noch einen Reiseführer anzubieten. Die Aeolen rechnen nicht mehr mit auswärtigen Gästen, alle sind langsam und glücklich. Unser Glück allerdings ist etwas getrübt. Wir leiden unter Schokoladenentzug. Auf zum Supermarkt! 20. November, Straße von Messina. Es ist unser letzter Törntag. Die Route führt uns durch die Straße von Messina nach Riposto. Es ist ein absolut ruhiger, fast windstiller Tag. Die herrliche Weitsicht lässt uns den schneebedeckten Aetna erblicken, der prominent über das Land thront.

Den ganzen Törn hindurch haben wir erstaunlich wenig Schiffsverkehr erlebt. Und auch in der an sich vielbefahrenen Enge zwischen Italien und Sizilien ist nicht viel los. An der anfangs flachen sizilianischen Küste entlang liegen die Häuser bunt dicht aneinander aufgefädelt ohne auch nur eine einzige Lücke. Weiter südlich erhebt sich die Küste steil aus dem Meer. Es sind die Vorboten des alles beherrschenden Aetna. Festungen, wie jene von Taormina, sind Zeugen der Jahrtausende alten Widerstandskultur. In Riposto überrascht uns die Größe der Hafenanlage. Hier wird offensichtlich verstärkt auf Yacht-Tourismus gesetzt. Alles wirkt neue errichtet und befindet sich zum Teil noch im Bau. Im an sich uninteressanten Ort registrieren wir ebenfalls rege Bautätigkeit. Appartements und Hotels werden nächstes Jahr Yachties beherbergen. Am Freitag verlässt uns Markus. Dafür dürfen wir Uschi an Bord begrüßen. Yvonne, Moritz und ich machen einen Abstecher nach Taormina. Am Abend bereiten wir uns ein fulminantes Mahl mit 3 Kg Cozze und 1 Kg Gamberetti zu. Ein perfekter Törnabschluss.

Samstags erleben wir, was uns hätte blühen können. Von Marsseile bis nach Catania bläst der Mistral wie er es zu der Jahreszeit gerne tut. Der Fährverkehr wird eingestellt, sogar die gut geschützte Marina wird vom heftigen Wellengang heimgesucht. Wir stellen fest, das Wetterglück, war auf unserer Seite! Uschi und Gunnar werden weiter nach Kroatien fahren, Yvonne, Moritz und ich werden uns auf den Weg zum Aetna machen – das ist aber eine andere Geschichte.

Einen kleinen Film dazu gibts hier: http://www.facebook.com/?ref=home#!/sail.at.kreindl

Geändert von Neusiedler (15.11.2010 um 11:22 Uhr)
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