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Segel Technik Technikfragen speziell für Segelboote.

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  #1  
Alt 23.03.2003, 13:49
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Holger Holger ist offline
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Standard Eigenbau und Rigg

hallo selbstbauer,

im letzten jahr habe ich mal angefragt, ob jemand vergleichserfahrung hatte mit konventionellem rigg, baumfock und balancefock.

die antworten waren zwar alle sachlich und begründet, aber gesamterfahrung sprach nicht daraus. ich habe jetzt einen segler gefunden der

- konventionell von europa in den pazifik gesegelt ist
- eine reinke 13 twinkiel selbst gebaut hat
- rund pazifik (südsee und alaska) gemacht hat mit einer balancefock

er hat mir seine erfahrungen zum rigg kurz geschildert und ich möchte diese den bf`lern und vor allem den reinke-bauern nicht vorenthalten. da ist soviel info zum thema drin, dass eigentlich jeder, der sich mit dem thema balance-oder selbstwendefock beschäftigt, dies mit interesse lesen wird, zumal der autor wirklich zigtausend meilen zurückgelegt hat und weiss, vovon er spricht. der bericht in leicht gekürzter form folgt jetzt, ich hoffe er hat nichts dagegen


holger

hier der bericht:


.....Wir sind nach wie vor von der Reinke 13 begeistert. Das gilt in erster Linie fuer die See-Eigenschaften. Wir haben schon reichlich wildes Wetter erlebt und hatten nie blaues Wasser im Cockpit. Man fuehlt sich an Bord sehr sicher. Unser groesstes Problem hatten wir mit dem Rigg. Komischerweise haben wir nie von anderen Reinkeschiffern aehnliches gehoert: Reinke hat nur in den fruehen Versuchen mit Kutterbesegelung gearbeitet. Dann hat er festgestellt, dass die Selbstwendefock auch am Top angeschlagen werden muss, um gross genug zu sein. Alle Zeichnungen der Reinke Schiffe haben also ein normales Vorstag fuer ein Leichtwettersegel (Rollfock oder Stagreiter) UND ein zweites Vorstag welches knapp darunter am Top angreift und auch bis fast zum Bug fuehrt (das von ihm sogenannte Semi-Cutter Rig). Wenn man jetzt wie im Plan vorgesehen das innere Stag fuer eine Selbstwendefock mit Baum benutzt, oder wie wir die Balancefock faehrt, dann gibt es kein Stag dass auf 2/3 Hoehe oder tiefer den Mast nach vorne versteift. Wie gesagt, dies ist die Normalausruestung a la Reinke. Ich habe oft in meiner Koje gelegen und durch das Luk zum Top hinaufgeschaut und dem Mast beim Biegen zugesehen. Knallt man gegen die Wellen, dann bewegt sich der Mast in der Mitte gewaltig vor und zurueck. Es ist wohl "nur" eine echte Profiltiefe, um die er sich bewegt, aber es sieht dramatisch aus. Unser Masthersteller hat bei Anfrage Reinke unterstuetzt und gesagt, dass das Biegen voellig normal ist. Trotzdem haben wir auf dem Trip alle (!!!) Unterwanten gebrochen und auf Garantie ersetzt bekommen. Groesste Veraenderung wenn ich es nochmal von vorne machen wuerde: ein permanentes Stag auf 2/3 Masthoehe nach vorne MUSS einfach dasein. Das macht dann aber die Balancefock oder traditionelle Wendefock unmoeglich. Alternative waere dazu ein Rigg mit nach achtern gepfeilten Salingen die den Mast dann selber nach vorne druecken.
Der Riggbauer hatte mir auf Anfragen zum Reinke Rigg und Balancefock schon vor zwei Jahren geantwortet, dass sie zwei Moeglichkeiten sehen: entweder die gepfeilten Salinge oder einen zum Kiel durchgehenden Mast. Bei den gepfeilten Salingen verkompliziert sich das Rigg doch sehr, besonders in der Anspannung aller Wanten. Man muss da sehr genau sein.

Was Balancefock gegen Rollfock anbelangt, so ist es das alte Lied: man muss das genau gleiche Schiff in genau gleichen Umstaenden mit jedem der zwei Systeme gesegelt haben, um wirklich den Unterschied zu erleben. Wie sagt man? Nur eine Variable sollte in der Gleichung sein! Hat man ein Problem, dann ist es immer leicht zu schimpfen und sich zu aergern und zu sagen: haette ich doch statt dieses.. das viel bessere.. ! Ob das wirklich besser waere, das weiss man ja nicht.

Wir haben sehr viele positive Erlebnisse mit der Balancefock gehabt. Vielleicht der beste Kommentar ist: glaubt nicht den Riggbauern, die vorrechnen wieviel man mit der Balancefock an Geld spart!!!! Man soll keine grossen Winschen brauchen, keine Genua-Schienen etc etc. Das ist einfach totaler Quatsch. Will man eben doch bei unter 10 Knoten Wind segeln, dann braucht man auf jeden Fall Blister, Spi, oder die Riesengenua. Und eben doch die grossen Winschen etc etc. Schoen waere es koennte man eine grosse Genua auf eine Rollfock vor der Balancefock bringen, aber der Riggbauer meint, das stoere die Anstroemung der Balancefock total. Gerade fuer kleine Crews bedeutet das dann, das zwar die Balancefock toll und einfach ist, aber man frueh motoren muss, oder aber sich mit den Genuas/Spis etc doch wie in ganz alten Tagen mit der Hand abplagt. Egal wie gut die Balancefock ist (und sie ist gut!) das Endurteil fuer mich lautet: bei kleiner Crew ist die Balancefock nicht ideal, wenn man auch noch bei wenig Wind segeln moechte. Die Arbeit auf dem Vorschiff mit grossen Leichtwettersegeln ist fuer eine kleine Crew schwer und koennte durch die Genua auf der Rollfock unnoetig sein. Ausserdem: die Balancefock kann ja nicht einfach vom Cockpit gesetzt und geborgen werden. Man muss schon noch nach vorne zum Auftuchen, zum setzen eines Bullenstanders etc.
Dass bei Entscheidung fuer Rollfock dann auch ein inneres Vorstag moeglich wird, welches die Biegeprobleme des Mastes komplett beseitigt ist ein zusaetzlicher Bonus.

So, das ist erstmal alles zur Balancefock. Wie gesagt, hat man genug Crew an Bord, dann ist alles anders. Kein Problem zwei nach vorne zu schicken zum Genuasetzen etc/. Dann kommen nur die Vorteile der Balancefock zum Tragen!
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  #2  
Alt 31.03.2003, 10:23
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Hallo Holger,

...ich habe letzte Woche das Schiff des Bügelanker-Erfinders gesehen.
Er hat wohl das Schiff und auch das Rigg selbstgebaut.
Er hat ...wie soll ich sagen...zwei Masten die in einem Mastfuß zusammen stehen und nach oben im Winkel stehen und im Masttopp bestimmt 3 Meter auseinanderstehen.
Daran hat er eine Balance-Fock und ein Balance-Groß.
Die Bäume waren also an beiden Enden frei geführt und auf ca. 1/3-Länge an Deck drehbar verankert.
Sah schon merkwürdig aus...
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  #3  
Alt 01.04.2003, 09:34
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ja chris,
wenn ich mit unserem dampfer vor 20 jahren hätte anfangen können, dann hätte ich auch eine menge experimente gemacht, aber jetzt, mit knapp 60 jahren läuft mir die zeit davon....

die schiff-und riggbauerei ist so was von erzkonservativ, dass innovationen vor lauter vorurteilen schon gar nicht mehr wahrgenommen werden...
vergleichbares traditionsdenken gibt es sonst nur noch bei den religionen...

holger
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  #4  
Alt 01.04.2003, 10:00
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Ja Holger, da hast Du wohl recht.

Aber ich bin eigentlich der Meinung, daß man Sachen die gut entwickelt sind und ihren Job ordentlich verrichten nicht unbedingt neu erfinden muß.
Iss klar, daß ist eine Einstellung die für Inovationen nicht unbedingt förderlich ist.
Ich bin aber zumindest der Meinung, daß nicht gerade ICH derjenige sein muß, der Energie, Zeit und Geld in solche Weiterentwicklungen stecken muß - dafür ist mein Budget in diesen drei Disziplinen doch zu eng gesteckt, auch wenn ich ca. 15 Jahre jünger bin als Du.
Ich finde eine normale Slup-, Kutter- oder 7/8tel-Takelung ist in Ordnung, prima handlebar, relativ preisgünstig und effektiv - also was soll's, die nehme ich und gut iss.

Interessant finde ich auch, daß es einige Dinge gibt, die sich nie geändert haben, die einmal so entwickelt eigentlich immer so weitergebaut und benutzt werden.
Zum Beispiel:
das Schachspiel
die Klaviertastatur
die Notenschrift
Streichhölzer
...
und vieles mehr...
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  #5  
Alt 01.04.2003, 14:00
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.....auch die von kaiser wilhelm zur finanzierung der deutschen hochseeflotte eingeführte sektsteuer haben wir noch, die flotte und der kaiser sind passeé...

aber spass beiseite, du hast natürlich schon recht. was uns zum experimentieren fehlt ist zeit und GELD. das ist die krux...leider...
deshalb werde ich auch ein "normales" kutterrigg verwenden.

holger
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  #6  
Alt 03.04.2003, 00:28
peterk peterk ist offline
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hi folks,

Ich experimentiere gern herum, mit minimum Geld Einsatz
aber viel elbow grease.
Mein Stagsegel auf 34 Fuss 'Tehani' ist die schwere Sturmfock von einer
40 Fuss sloop,
die ich in einen Windsurferbaum einspanne.
Dadurch setzt sie, trotz des Gewichts immer recht gut
weil sie die einmal vorgegebene Form behaelt.
Wird von einer Schot kontrolliert, die praktisch ueberall angeschlagren werden kann
Das System hat sich rund um den Kuerbis gut bewaehrt,
besonders weil ich das Segel zum
bessren Selbssteuern vorne rauslassen kann
bis der Gabelbaum, (selten) am Vorstag
anliegt.
Dieses Segel bleibt meist bis zuletzt stehen
und hat schon 12 Beaufort verkraftet -
der Alubaum auch!

Natuerlich ist es be Leichtwind nicht Ideal,
aber da kann ich das Stag fauer abnehmen
und als Sloop mnit Drifter(Blister?) fahren

...peter
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  #7  
Alt 03.04.2003, 01:17
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Das kling ja interessant, die Idee mit dem Gabelbaum an der Sturmfock hatte ich auch schon mal - leider nie umgesetzt.

peterk hast Du da etwas mehr Informationen, vielleicht eine Zeichnung?

Ich war im Gedanken sogar noch etwas weiter und dachte daran einen Surfmast komplett geriggt als Sturmfock zu verwenden. Dadurch, dass das Segel immer sauber profiliert steht, sollte ein recht dünnes Tuch einiges abkönnen.
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so long -> Tom

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  #8  
Alt 03.04.2003, 17:58
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Hallo alle,
habe zwar keine Erfahrung mit Balancefock, aber dafuer auf einem normal geriggtemSchiff mit Vorstag bis zum Mast ein 2/3 Vorstag nachgeruestet. Der Konstrukteur der Yacht meinte, man muesste wohl die auf das 2/3 Stag kommende Kraft mit backstay abfangen, aber ich glaube, dass die Unterwanten, die ja knapp unterhalb ansetzen, auch Kraft aufnehmen koennen.
der riesenvorteil ist, dass man an einer bestehenden Rollfockanlage nun eine Sturmfock mit stagreitern simpel anschlagen kann und wenn man das "Baby"stag auch mit eigenem Spanner schnell wegnehmen kann, dann stoert es die Rollfock ieberhaupt nicht.
Ich bin jedenfalls mit dieser Aenderung sehr zufrieden.
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